Kunststoff – Nicht das Problem, sondern Teil der Lösung

Kunststoff ist kein Abfall, sondern eine wichtige Ressource. Wie er besser verwertet werden kann, erklären Christof Spies, CEO, und Marie Hühne, Nachhaltigkeitsmanagerin bei SPIES Packaging, im Interview.

 

Herr Spies, als Inhaber eines Unternehmens mit über 50 Jahren Erfahrung im Bereich der Verpackungen wissen sie, dass diese mehr sind als nur Behälter. Was sind die Hauptaufgaben von Verpackungen?

Christof Spies: Verpackungen, insbesondere Lebensmittelverpackungen, sind Alleskönner. Sie schützen Lebensmittel, sodass sie über die gesamte Wertschöpfungskette vom Erzeuger über den Handel bis hin zum Verbraucher haltbar bleiben. Sie gewährleisten Hygiene und Sicherheit – zwei Faktoren, die gerade in der aktuellen Coronakrise eine hohe Bedeutung haben. In der Krise waren aber auch vor allem diejenigen Lebensmittel gefragt, die lange haltbar sind. Die Verpackung spielt eine entscheidende Rolle dabei, die Versorgung und Bevorratung von Lebensmitteln sicherzustellen. Daher ist unsere Branche systemrelevant!

 

Frau Hühne, als Nachhaltigkeitsmanagerin machen Sie darauf aufmerksam, dass Lebensmittelverpackungen dazu beitragen können, CO2 einzusparen. Wie funktioniert das?

Marie Hühne: Leider werden noch immer viele Lebensmittel scheinbar für die Tonne produziert. Ein Drittel aller weltweit produzierten Lebensmittel verderben und werden nicht gegessen. Der CO2- Ausstoß, der bei der Produktion dieser Lebensmittel entsteht, entspricht nahezu dem des weltweiten Autoverkehrs. Verpackungen helfen dabei, diese Verschwendung zu reduzieren. Ihr CO2-Footprint beträgt meist auch nur einen Bruchteil von dem des zu verpackenden Produkts. Ein gutes Beispiel hierfür ist die Salatgurke: Sie muss in den Herbst- und Wintermonaten aus Südeuropa importiert werden und wird eingeschweißt, um über die langen Transportwege hinweg haltbar zu bleiben. Die Kunden wundern sich über die scheinbar unnötige Folie, aber Fakt ist: Gurken, die nicht verpackt sind, altern schneller, werden somit von den Kunden nicht gekauft und landen in der Tonne. Die Verpackung hilft also, einer Verschwendung von Ressourcen vorzubeugen.

 

Kunststoff gehört zu den mit am häufigsten eingesetzten Verpackungsmaterialien. Warum ist dieses Verpackungsmaterial so beliebt?

Spies: Kunststoff ist ein sehr vielseitig und universell einsetzbares Material. Es bietet eine hohe Hygiene und Sicherheit, da es absolut keimfrei ist. Es ist leicht, beständig gegen Feuchtigkeit, lässt sich gut formen und ist dabei dennoch sehr stabil und bruchfest. Zudem ist Kunststoff relativ preisgünstig und in hohen Mengen verfügbar.

 

Dennoch ist das Image von Kunststoff in der Gesellschaft eher schlecht. Warum ist das so?

Spies: In der Gesellschaft herrscht leider ein sehr einseitiges und falsches Bild von Kunststoffverpackungen. Vielen Menschen sind die wichtigen Eigenschaften von Kunststoffverpackungen gar nicht bewusst. Gleichzeitig haben sich Bilder von Plastikabfällen, die die Meere verschmutzen, in vielen Köpfen verankert. An den verschmutzten Ozeanen ist jedoch nicht der Werkstoff schuld, sondern das Verhalten der Gesellschaft, die Plastik einfach in der Umwelt entsorgen – das sollte man immer bedenken. Was wir brauchen, ist daher ein verantwortungsvoller Umgang mit Verpackungen. Das bedeutet, auch Kunststoffverpackungen nach Gebrauch nicht als Müll, sondern als Rohstoff zu betrachten. Die Kreislaufwirtschaft ist hierfür der Schlüssel. Um die ambitionierten CO2-Ziele der EU zu erreichen, sind Kunststoffe nicht das Problem, sondern ein wichtiger Teil der Lösung.

 

Wie kann es gelingen, nachhaltigere, kreislaufgerechte Kunststoffverpackungen einzusetzen?

Spies: Für einen breiteren Einsatz von recycelten Materialien brauchen wir Rezyklate mit hoher Reinheit, die außerdem gut verfügbar sind. Das bedeutet, dass die gesamte Branche weniger unterschiedliche Kunststoffsorten einsetzen und auf Verbundmaterialien, die verschiedene Plastiktypen in einer Verpackung vereinen, verzichten sollte. Dadurch würden Kunststoffe besser sortierbar und könnten effektiver aufbereitet und in großen Mengen wieder als Rohstoff in neuen Verpackungen eingesetzt werden. Die von uns hergestellten Verpackungen bringen schon heute all diese Eigenschaften mit. Wir verwenden Einstoffverpackungen aus Monomaterial, die zu 100 Prozent recycelt werden können.

 

Eine der von Spies entwickelten Innovationen ist der S-shaped-Becher aus Monomaterial. Was ist das Besondere daran?

Spies: Herkömmliche Rundbecher mit gewölbten oder geschwungenen Konturen lassen sich schlecht bedrucken oder etikettieren. Daher werden sogenannte Schrumpffolien zur Dekoration der Becher eingesetzt. Das Problem ist jedoch, dass diese Schrumpffolien aus einem anderen Material bestehen als der Grundbecher – was die Recyclingfähigkeit der Verpackung beeinträchtigt. Um dieses Problem zu lösen, haben wir eine innovative Technologie entwickelt, die den Einsatz von IML Etiketten, einer weit verbreiteten Dekorationstechnik, auch bei schwierigen Konturen ermöglicht. Das Ergebnis ist eine Verpackung aus Monomaterial, die vollständig recycelt werden kann.

 

SPIES Packaging ist Mitglied in dem Verbundprojekt „Digital Watermarks Initiative HolyGrail 2.0“. Was hat es damit auf sich?

Hühne: Die Initiative ist ein gemeinschaftliches Entwicklungsprojekt, dem sich bereits über 85 Unternehmen der gesamten Wertschöpfungskette angeschlossen haben, um Lösungen zur besseren Sortierung von Kunststoffabfällen zu entwickeln. Im Rahmen dieses Projekts werden nun digitale Wasserzeichen auf die Verpackungen appliziert. Die Kameras in den Sortieranlagen der Verwerter können sie auslesen und erkennen, um welchen Kunststoff-Typen es sich handelt, aber auch ob die Verpackung im Lebensmittelbereich eingesetzt wurde. SPIES war frühzeitig als einer der ersten Kunststoffverarbeiter in diese Initiative eingebunden. Wir haben Prototypen für Tests in der Versuchsanlage hergestellt. Die bisherigen Ergebnisse sind vielversprechend, sodass weiterführende Tests in größerem, industriellen Maßstab in der Planung sind.

 

Der Einsatz gut recycelbarer Materialien ist ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu mehr Nachhaltigkeit. Wie trägt SPIES außerdem dazu bei, den CO2-Footprint zu verringern?

Hühne: Das Ecodesign spielt bei SPIES eine wichtige Rolle: Wir passen das Verpackungsdesign dem individuellen Anwendungsfall an und verpacken nur, was nötig ist, mit so wenig Material wie möglich. Unser hochmoderner Maschinenpark mit einem zertifizierten Energiemanagementsystem ermöglicht außerdem eine energieeffiziente und ressourcenschonende Produktion. Zudem erzeugen Photovoltaikanlagen auf unseren Hallendächern genug Ökostrom, um jährlich zusätzlich 1.500 Tonnen CO2 einzusparen.

 

Das gesamte Interview als PDF finden Sie hier.